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Eine Lehrveranstaltung an der Philipps-Universität Marburg vom WS 1982/83 bis SoSe 2017
Konflikte in Gegenwart und Zukunft

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Archiv zum Schlagwort
Balkan

Position 1: Veranstaltung 6 im Sommersemester 2007
Position 2: Veranstaltung 5 im Wintersemester 2001-2002

 

Veranstaltung 6 im Sommersemester 2007

18.06.2007
 

Abstract

Demokratische Staaten führen gegeneinander keine Kriege, und in Demokratien gibt es weniger Bürgerkriege als in Autokratien. Es erstaunt daher nicht, dass die Demokratisierung zu einer der wichtigsten Friedensstrategien aufgestiegen ist. So zählt der Aufbau einer Demokratie seit dem Ende des Ost-West-Konflikts zu den Standardvorgaben von Abkommen, die innerstaatliche Kriege beenden sollen.

Statistische Arbeiten zeigen allerdings, dass die Gefahr eines Bürgerkriegs im Übergang von der Autokratie zur Demokratie am höchsten liegt. Wie der Vortrag darlegt, entstehen Gefahren für den innerstaatlichen Frieden nicht nur durch den Übergang hin zu einem demokratischen System, sondern wohnen auch dem Wesen der Demokratie selbst inne. Etablierte Demokratien können die Gefahren aus Freiheiten oder aus dem Wettbewerb zumeist bannen. Die Transition zur Demokratie jedoch setzt insbesondere in Nachbürgerkriegsgesellschaften deren destruktives Potenzial leichter frei.

Der Vortrag widmet sich nicht den Schluchten des Balkans, aber den Abgründen der Demokratisierung am Beispiel von Bosnien und Herzegowina. Thorsten Gromes bilanziert, ob und wie die Gefahren der Demokratisierung in diesem mittlerweile fast in Vergessenheit geratenen Fall gebannt werden konnten.

 

 

Veranstaltung 5 im Wintersemester 2001-2002

19.11.2001
 

Skripte etc.

Das Skript des Vortrags finden Sie hier:

balkan.pdf
(78 kB)

 

Abstract

Der Zerfall Jugoslawiens hatte sowohl interne als auch externe Ursachen. Sei es die neue NATO-Doktrin oder die Rivalität zwischen den USA und Europa. Vor dem Hintergrund der Ereignisse in Mazedonien stellen sich folgende Fragen:

Wenn die eingesetzten KFOR-Soldaten offensichtlich von ihren Regierungen die Weisung hatten, Waffen- und Nachschubströme für die UCK nach Mazedonien (und teilweise nach Südserbien) nicht zu verhindern und stattdessen sogar eindeutig Partei für die UCK durch Ausbildung und Ausrüstung ergriffen, wie kann die NATO dann als eine glaubwürdige Konfliktvermittlungsinstanz auftreten? Und wie kann es sein, dass aus dem NATO-Protektorat Kosovo trotz der Anwesenheit von rund 40.000 Soldaten von einigen hundert UCK-Kämpfern der Krieg auf ein unabhängiges Nachbarland getragen wurde, das dem NATO-Programm "Partnerschaft für den Frieden" angehört?

Das wurde in dem Vortrag hinterfragt.

Er hat ihm folgendes Dokument vorausgestellt:

aus: Blätter für deutsche und internationale Politik 9/2001,
"Die Amerikaner empfinden sich als Nachfolger Roms" –
Strategische Konfliktmuster auf dem Balkan, S. 1059-60

Willy Wimmer, MdB
Vorsitzender des CDU-Bezirksverbandes Niederrhein
Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE

Herrn
Gerhard Schröder, MdB
Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland
Bundeskanzleramt
Schloßplatz 1
10178 Berlin

Berlin, den 02.05.00

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

am vergangenen Wochenende hatte ich in der slowakischen Hauptstadt Brastislava Gelegenheit, an einer gemeinsam vom US-Außenministerium und American Enterprise Institut (außenpolitisches Institut der republikanischen Partei) veranstalteten Konferenz mit den Schwerpunktthemen Balkan und NATO-Erweiterung teilzunehmen.

Die Veranstaltung war sehr hochrangig besetzt, was sich schon aus der Anwesenheit zahlreicher Ministerpräsidenten sowie Außen- und Verteidigungsminister aus der Region ergab. Von den zahlreichen wichtigen Punkten, die im Rahmen der vorge- nannten Themenstellung behandelt werden konnten, verdienen es einige, besonders wiedergegeben zu werden.

  1. Von Seiten der Veranstalter (US-Außenministerium und American Enterprise Institute) wurde verlangt, im Kreise der Alliierten eine möglichst baldige völkerrechtliche Anerkennung eines unabhängigen Staates Kosovo vorzunehmen.
  2. Von den Veranstaltern wurde erklärt, daß die Bundesrepublik Jugoslawien außerhalb jeder Rechtsordnung, vor allem der Schlußakte von Helsinki, stehe.
  3. Die europäische Rechtsordnung sei für die Umsetzung von NATO-Überlegungen hinderlich. Dafür sei die amerikanische Rechtsordnung auch bei der Anwendung in Europa geeigneter.
  4. Der Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien sei geführt worden, um eine Fehlentscheidung von General Eisenhower aus dem 2. Weltkrieg zu revidieren. Eine Stationierung von US Soldaten habe aus strategischen Gründen dort nachgeholt werden müssen.
  5. Die europäischen Verbündeten hätten beim Krieg gegen Jugoslawien deshalb mitgemacht, um de facto das Dilemma überwinden zu können, das sich aus dem im April 1999 verabschiedeten "Neuen Strategischen Konzept" der Allianz und der Neigung der Europäer zu einem vorherigen Mandat der UN oder OSZE ergeben habe.
  6. Unbeschadet der anschließenden legalistischen Interpretation der Europäer, nach der es sich bei dem erweiterten Aufgabenfeld der NATO über das Vertragsgebiet hinaus bei dem Krieg gegen Jugoslawien um einen Ausnahmefall gehandelt habe, sei es selbstverständlich ein Präzedenzfall, auf den sich jeder jederzeit berufen könne und auch werde.
  7. Es gelte, bei der jetzt anstehenden NATO-Erweiterung die räumliche Situation zwischen der Ostsee und Anatolien so wiederherzustellen, wie es in der Hochzeit der römischen Ausdehnung gewesen sei.
  8. Dazu müsse Polen nach Norden und Süden mit demokratischen Staaten als Nachbarn umgeben werden, Rumänien und Bulgarien die Landesverbindung zur Türkei sicherstellen, Serbien (wohl zwecks Sicherstellung einer US-Militärpräsenz) auf Dauer aus der europäischen Entwicklung ausgeklammert werden.
  9. Nördlich von Polen gelte es, die vollständige Kontrolle über den Zugang aus St. Petersburg zur Ostsee zu erhalten.
  10. In jedem Prozeß sei dem Selbstbestimmungsrecht der Vorrang vor allen anderen Bestimmungen oder Regeln des Völkerrechts zu geben.
  11. Die Feststellung stieß nicht auf Widerspruch, nach der die NATO bei dem Angriff gegen die Bundesrepublik Jugoslawien gegen jede internationale Regel und vor allem einschlägige Bestimmungen des Völkerrechts verstoßen habe.

Nach dieser sehr freimütig verlaufenen Veranstaltung kommt man in Anbetracht der Teilnehmer und der Veranstalter nicht umhin, eine Bewertung der Aussa- gen auf dieser Konferenz vorzunehmen.

Die amerikanische Seite scheint im globalen Kontext und zur Durchsetzung ihrer Ziele bewußt und gewollt die als Ergebnis von zwei Kriegen im letzten Jahrhundert entwickelte internationale Rechtsordnung aushebeln zu wollen. Macht soll Recht vorgehen. Wo internationales Recht im Wege steht, wird es beseitigt. Als eine ähnliche Entwicklung den Völkerbund traf, war der zweite Weltkrieg nicht mehr fern. Ein Denken, das die eigenen Interessen so absolut sieht, kann nur totalitär genannt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Willy Wimmer

Wichtige Thesen Ronnefelds:
Was jetzt vor Ort getan werden kann…

  1. Wiedergutmachung der angerichteten Schäden (Gerechtigkeit statt Almosen)
  2. Unterstützung der Flüchtlinge (z.B. über Diakonisches Werk und Caritas)
  3. Psychosoziale Hilfe für Traumatisierte (z.B. wie Medica in Bosnien)
  4. Unterstützung von Friedens- und Menschenrechtsgruppen (z.B. Balkan Peace Team)
  5. Einrichtung von Wahrheits- und Versöhnungskommissionen (nach südafrikanischem Vorbil)
  6. Arbeitsprogramme zur zivilen gesellschaftlichen Wiedereingliederung von Soldaten
  7. Aufhebung der Isolation Serbiens (z.B. durch Aufnahme in die OSZE und Aufhebung des Wirtschaftsboykotts)
  8. Verhinderung der Abtrennung Montenegros und der Vojwodina
  9. Einrichtung einer Balkan-Konferenz (nach KSZE/OSZE-Vorbild)

Was bei uns getan werden kann…

  1. Aufarbeitung des Krieges / Wahrheitssuche
  2. Kritischer Dialog mit Presse und Politik
  3. Verurteilung aller Kriegsverbrecher (auf albanischer, serbischer und Nato-Seite)
  4. Einrichtung einer Informationsstelle für kirchliche und gewerkschaftliche Entscheidungsträger für künftige Krisen und Kriege
  5. Unterstützung präventiver Krisen-und Konflikt-Maßnahmen (z.B. ZFD-Projekt)
  6. Partnerschaften zwischen Kirchen, Gewerkschaften, Vereinen, Städten, Universitäten bei uns und in Serbien sowie in Kosovo
  7. Erziehung zu Angstfreiheit und Zivilcourage in Familie, Kirche und Schule
  8. "Leiden am Wirklichen und Leidenschaft für das Mögliche" (Definition des Begriffs "Hoffnung" von Sören Kierkegaard)