Interdisziplinäres Seminar zu Ökologie und Zukunftssicherung im Sommersemester 2006
gemeinsam mit dem Zentrum für Konfliktforschung
24.04.2006
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Mit nur 7% seiner Nennleistung wurde Block 4 des Tschernobyl-Reaktors am 26.April 1986 ab ein Uhr früh morgens gefahren. Ein wohlüberlegter Versuch am Kühlmittelsystem beim Abfahren des Reaktors zur Revision stand an, als innerhalb von Sekunden eine Leistungsexkursion auf das Mehrhundertfache(!) der Nennleistung zur Explosion führte. Die größte nukleare Katastrophe mit jahrhundertelangen Auswirkungen wurde trotz zahlreicher Warnungen Wirklichkeit.
Im Vortrag werden wir einleitend die Situation der Kernenergienutzung vor Tschernobyl beleuchten, die in Deutschland von Euphorie, aber auch von Großdemonstrationen geprägt war. Im Hauptteil werden Ursachen und Folgen des Tschernobyl-GAU diskutiert und zu bewerten versucht. Abschließend betrachten wir die gegenwärtige Lage der Kernenergienutzung und den beginnenden Umstieg auf eine zukunftsfähige und fehlertolerantere Art der Energieversorgung.
08.05.2006
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Der Diavortrag zeigt den Übergang von der Geburtshilfe, wie sie Hebammen ausübten, zur akademischen Geburtsmedizin in den Kliniken zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Vor dem Hintergrund der Aufklärung hatten die Geburtsmediziner den Fortschritt im Blick, den sie in der Entwicklung chirurgischer Instrumente zu erkennen meinten. Die Geburt wurde fortan als Risiko im Sinne einer krankhaften Veränderung definiert und behandelt.
Ort des Gebärens war nunmehr die Klinik und nicht mehr das häusliche Ehebett. Für die Schwangeren bedeutete diese Sichtweise jedoch ein höheres Gefahrenpotential und für die Hebammen eine umfassende Veränderung ihres Berufsbildes.
Der Vortrag führt die Janusköpfigkeit der Aufklärung vor Augen und die strukturelle Gewalt, die mit der Medikalisierung der Geburt in den Gebärhäusern des 19. Jhs. einherging. Am Beispiel des Marburger Acchouchierhauses von 1792 – eines der frühesten in Europa – werden diese Entwicklungsstränge nachgezeichnet.
22.05.2006
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Noch vor Inkrafttreten des Bonner Grundgesetzes gründete sich im Mai 1949 im Bonner Rathaus das Westdeutsche Friedenskomitee. Zehn Jahre später standen führende Vertreter des "Friedenskomitees der BRD", wie das Friedenskomitee ab 1956 hieß, vor Gericht. Die Anklage lautete auf "Staatsgefährdung" und "Rädelsführerschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation". Von November 1959 bis April 1960 wurde an 56 Verhandlungstagen fünf Monate lang vor dem Landgericht Düsseldorf verhandelt. Alle Angeklagten wurden verurteilt. Wie konnte es dazu kommen?
Der Vortragende, Mitbegründer und langjähriger Sprecher des Marburger Friedensforums, geht exemplarisch auf den weithin verdrängten Tatbestand der Kriminalisierung der westdeutschen Friedensbewegung ein. Der im Mittelpunkt seines Vortrages stehende "bedeutendste politische Strafprozess seit Bestehen der Bundesrepublik" (Diether Posser) beleuchtet das politische, juristische und gesellschaftliche Umfeld des Düsseldorfer Prozesses: Der im Kalten Krieg virulent wiederbelebte Antikommunismus des "Dritten Reiches" richtete sich aber keineswegs nur gegen Kommunisten, sondern gegen alle gewerkschaftlichen, friedensbewegten und demokratischen Bestrebungen. Die Spurensicherung erinnert an eine Zeit, in der in der Adenauer-Ära unter Verletzung von Verfassung, Recht und Gesetz "die Falschen verurteilt wurden", wie es einer der Strafverteidiger, Heinrich Hannover, nannte.
06.06.2006
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Ist Staatsbildung heute noch möglich? Das kann man sich fragen angesichts der Nachrichten über Staatszerfall und die Bedrohungen durch Globalisierung. In diesem Vortrag wird der Frage anhand eines Beispiels nachgegangen, das für die Zukunft afrikanischer Staaten auskunftsreich ist.
In Uganda ging 1986 mit der Einnahme der Hauptstadt Kampala ein mehrjähriger Bürgerkrieg zu Ende, und seitdem versucht eine ambitionierte Regierung, staatliche Strukturen wiederherzustellen. Das Ergebnis dieser Bemühungen wird in diesem Vortrag unter den Aspekten der Sicherheit, der wirtschaftlichen Entwicklung und der Steuerpolitik betrachtet und mit anderen Entwicklungen auf dem afrikanischen Kontinent vergleichend diskutiert.
19.06.2006
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Der Vortrag widmet sich den Problemen der Interaktion und der Konflikte zwischen dem Staat und den Grossunternehmen in drei postsowjetischen Ländern Russland, der Ukraine und Kasachstan. Zunächst wird das existierende Modell der Interaktion zwischen privaten und öffentlichen Akteuren behandelt. Es wird gezeigt, dass es Anfang der 2000er Jahre in allen drei Ländern um ähnliche Modelle des institutionellen Gleichgewichts ging, wo sowohl der Staat, als auch die Unternehmen zum Fortbestehen der ineffizienten wirtschaftlichen und politischen Institutionen beigetragen haben.
Allerdings sind auch alle drei Länder seit etwa fünf Jahren durch zahlreiche Konflikte zwischen dem Staat und den Internehmen charakterisiert, die zum Teil sehr ähnlich sind, zum Teil aber erhebliche Unterschiede nachweisen.
Der Staat war überall fähig, sich gegenüber den Grossunternehmern durchzusetzen; allerdings waren die Nebenwirkungen der Konflikte für die institutionelle Entwicklung deutlich verschieden: In Russland wurde durch die Konflikte das ineffiziente Gleichgewicht gestärkt, in der Ukraine haben die Auseinandersetzungen zu der politischen Transformation beigetragen, in Kasachstan haben sie offensichtlich das System destabilisiert.
Es werden die strukturellen und Kontextfaktoren analysiert, die zu Konflikten führen, kurz der Verlauf der bedeutendsten Konflikte behandelt und dann die Variablen vorgestellt, die zu Unterschieden in Nebenwirkungen führen. Unser Ziel ist zu zeigen, dass gleich motivierte Akteure im Zuge des Konfliktsunterschiedliche Ergebnisse für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung schaffen können.
Der Vortrag wird mit einer kurzen Betrachtung der Konflikte zwischen Staat und Grossunternehmen im Zuge der zweiten Transformation (etwa in der Ukraine in 2005) und der Analyse des dabei entstehenden Vertrauensdilemmas abgeschlossen.
03.07.2006
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Der Fall 'Florian Pfaff' wurde bekannt durch den Versuch der Bundeswehr, ihn als Soldaten aus der Armee zu entlassen, weil er sich zu Beginn des Irak-Kriegs geweigert hatte, an diesem Krieg der USA auch nur indirekt mitzuwirken. Seine Degradierung durch das Truppendienstgericht wurde vor einem Jahr in letzter Instanz durch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig aufgehoben.
Der Referent geht in seinem Vortrag nicht nur auf die theoretischen Pflichten eines Soldaten ein, sondern vor allem auch auf die aktuelle Entwicklung, wie die Bundeswehrführung trotz des Urteils versucht, Soldaten wie ihn allgemein im Fall völkerrechtswidriger Angriffskriege zur Mitwirkung zu zwingen, das geltende gesetzliche Verbot der Begehung von Angriffskriegen zu missachten, bzw. wie die Bundeswehr ungesetzliche Kriege nach dem Muster des Irak-Kriegs konkret vorbereitet.
17.07.2006
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Mit seiner Rede vor der UN Generalversammlung im September 2003 hat UN Generalsekretär Kofi Annan der zu Beginn der 90er Jahre bereits begonnenen UN-Reformdiskussion nach dem Ende der Ost-West-Spaltung neuen Aufschwung und eine neue Dringlichkeit gegeben. Vor dem Hintergrund des völkerrechtswidrigen Irak-Krieges hat er zu einer Selbstvergewisserung der Staatengemeinschaft über ihren Gründungskonsens aufgerufen: Im Zentrum der Fragestellung für das von Annan einberufene hochrangige Panel stand, ob angesichts der Herausforderungen des Terrorismus die Definition von völkerrechlich zulässigen Selbstverteidigungsmaßnahmen neu gefasst werden muss.
Wesentliche Richtungsentscheidungen sollten im Rahmen der als "Millennium + 5 Gipfel" bezeichneten Sondergeneralversammlung 2005 der Vereinten Nationen getroffen werden. In der öffentlichen Wahrnehmung ist dieser Gipfel gemessen an den großen Herausforderungen weitgehend gescheitert. Im Rahmen ihres Vortrags wird die Generalsekretärin der deutschen UN Gesellschaft herausarbeiten, welche Fortschritte jenseits der offensichtlich in weite Ferne gerückten Erweiterung des Sicherheitsrates in der jüngsten Runde der UN-Reformdiskussion erreicht werden konnten. Einen besonderen Schwerpunkt wird Sie dabei auf die Aspekte der Friedenssicherung legen.