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Eine Lehrveranstaltung an der Philipps-Universität Marburg vom WS 1982/83 bis SoSe 2017
Konflikte in Gegenwart und Zukunft

Interdisziplinäres Seminar zu Ökologie und Zukunftssicherung im Sommersemester 2009

gemeinsam mit dem Fenster ins WWW Zentrum für Konfliktforschung

Liste der Veranstaltungen

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Veranstaltung 1

20.04.2009
 

Abstract

Transitional Justice beschreibt die (straf-)rechtliche, politische und gesellschaftliche Aufarbeitung einer Unrechtsvergangenheit, die durch schwere Menschenrechtsverletzungen und Makroverbrechen, etwa im Rahmen von Kriegen, Bürgerkriegen oder Diktaturen, gekennzeichnet ist. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges werden schwere Makro- und Kriegsverbrechen im Rahmen nationaler und internationaler Strafverfahren verfolgt und in Wahrheits- und Versöhnungskommissionen aufgearbeitet.

Mögliche Formen solcher Aufarbeitung sind nationale oder internationale Tribunale, Wahrheitskommissionen, öffentliches Erinnern, aber auch institutionelle Reformen wie die Implementierung rechtsstaatlicher Strukturen, demokratischer Partizipation und die Förderung der Zivilgesellschaft. Sie sind häufig Teil politischer Transitionsprozesse von Nachkriegs- oder Nachdiktaturgesellschaften hin zu modernen Demokratien.

Transitional Justice stellt eine Gesellschaft und ihre Bürgerinnen und Bürger vor erhebliche Herausforderungen. An der Philipps-Universität beschäftigen sich verschiedene Forscherinnen und Forscher im Rahmen eines interdisziplinären Forscherverbunds mit Fragestellungen der Transitional Justice. Dazu gehören die Rechtswissenschaft, die Politikwissenschaft und die Soziologie sowie die Sozialpsychologie.
Die Ringvorlesung hat zum Ziel, die Beiträge der genannten Disziplinen zu Transitional Justice herauszuarbeiten und die gemeinsamen Befunde anwendbar zu machen.

 
Veranstaltung 2

04.05.2009
 

Skripte etc.

Die Folien des Vortrags finden Sie hier:

direktedemokratie.pdf
(297 kB)

 

Abstract

Viele sind mit der bestehenden Demokratie in Deutschland unzufrieden. Dies ist kein Wunder. Denn die BürgerInnen sind politisch ohnmächtig. Zwischen den Wahlen haben sie letztlich nichts zu sagen. Sie können auf die Abgeordneten keinen durchschlagenden Einfluss nehmen. Und ob die Parteien nach den Wahlen tun, was sie vorher versprochen haben, ist nicht garantiert.

Direkte Demokratie auf Bundesebene könnte Abhilfe schaffen. Der Vergleich mit Staaten in den USA und vor allem der Schweiz beweist: Das Vertrauen in die Demokratie steigt, wenn die Menschen Sachfragen selbst verbindlich entscheiden können.

Im Vortrag wird gezeigt, dass die BürgerInnen mit Hilfe von Volksbegehren und Volksentscheid ihre politische Ohnmacht überwinden können. Gerade in Zeiten des sozialen Umbruchs finden sie ein Ventil, politische Wut friedlich zu kanalisieren und konstruktiv umzusetzen. So revitalisiert und stabilisiert direkte Demokratie sowohl das politische System als auch die Zivilgesellschaft.

 
Veranstaltung 3

18.05.2009
 

Abstract

Der Vortrag diskutiert, warum sich viele Interventionen von internationalen Organisationen
mit dem Ziel des Empowerments von Frauen und der Förderung von Geschlechtergleichheit
in post-2001 Afghanistan als nur begrenzt erfolgreich, wenn nicht erfolglos und kontraproduktiv, erwiesen.

Im Zentrum der Analyse stehen ein rudimentäres Verständnis der lokalen, kontextspezifischen Gesellschaftsstruktur, und hier insbesondere die Vernachlässigung von Männern als Verbündete, der Familie und der Gemeinschaft als identitätsstiftende soziale Grundeinheit und der vorrangigen Bedeutung der Werte "Ehre" und "Stolz" für afghanische Männer und Frauen.

Basierend auf diesen Faktoren werden mögliche und grundlegende Erkenntnisse für erfolgreiche Interventionen in traditionell-patriarchale Transformationsgesellschaften im Sinne eines gender-sensitiven "Do no Harms" zur Diskussion gestellt.

Der Vortrag basiert auf der kritischen Aufarbeitung der aktuellen internationalen akademischen Literatur und Berichten von Regierungsinstitutionen und Nichtregierungsorganisationen, v.a. auch von afghanischen Frauenorganisationen und den Erkenntnissen der Schweizerischen Friedensstiftung swisspeace, die auf Anfrage der UNO im Anschluss an die Petersberger Konferenz 2001 das Afghanistan Civil Society Forum (ACSF) und später das Stammesverbindungsbüro gründete.

 
Veranstaltung 4

25.05.2009
 

Abstract

Nach dem Auftreten ungewöhnlich vieler Fälle von Leukämien bei Kindern im Umfeld der Nuklearanlagen AKW Krümmel und des benachbarten Atomforschungszentrums Geesthacht östlich von Hamburg beschäftigten sich wissenschaftliche Kommissionen und Forscher mit der Frage nach den Ursachen. Durch das Fordern und Drängen von gesellschaftlichen Kreisen, von zahlreichen Ärzten und einer großen Zahl von Anwohnern um deutsche Atomkraftwerke wurde 2004 durch das deutsche Umweltministerium ein erneuter Auftrag an das Mainzer Kinderkrebsregister erteilt: Eine besonders genau angelegte Untersuchung von Kinderkrebs bei Kindern unter 5 Jahren in der Umgebung deutscher Kernkraftwerke durchzuführen. In diese aktuelle KiKK-Studie (Fall-Kontroll-Studie) wurden eine bis auf 20 m genaue Abstandsermittlung der Wohnung der Kinder zum nächsten Kernkraftwerk (Kamin) und alle denkbaren Einflußgrößen (z. B. Röntgen, Tierkontakt, Haushaltschemikalien) auf die Krebsentstehung einbezogen.

Im Dezember 2007 wurde das Ergebnis des Mainzer Kinderkrebsregisters von seiner neuen Leiterin Frau Prof. Blettner öffentlich bekannt gegeben: "Unsere Studie hat bestätigt, dass in Deutschland ein Zusammenhang zwischen der Nähe der Wohnung zum nächstgelegenen Kernkraftwerk … und dem Risiko, vor dem 5. Geburtstag an Krebs bzw. Leukämie zu erkranken, beobachtet wird. … Die Exposition gegenüber ionisierender Strahlung wurde weder gemessen noch modelliert. … kann… die von deutschen Kernkraftwerken im Normalbetrieb emittierte ionisierende Strahlung grundsätzlich nicht als Ursache interpretiert werden."

Die Behauptung der Autoren in der KiKK-Studie, die Strahlenexposition der Kinder sei nicht modelliert worden, hat sich inzwischen als falsch herausgestellt. Die Behauptung der Autoren, die von AKWs emittierte Strahlung sei weit über 1000-fach geringer als die natürliche Strahlenbelastung, ist durch keinerlei eigene Dosisbestimmung belegt und angesichts der Ergebnisse der Studie nicht glaubhaft. Die natürliche Strahlenbelastung trägt zu 5 bis 10 % zur Zahl der jährlichen Krebserkrankungen (425 000 im Jahr 2002) bei.

Interessant ist auch, wie es zu den in Deutschland für die Bevölkerung geltenden Grenzwerten von je 0,3 mSv pro Jahr durch Abluft und Abwasser aus Nuklearanlagen kam. In den Begründungen von Grenzwerten erklärt die Internationale Strahlenschutzkommission ICRP (1958), dass sie für die Allgemeinheit eine beträchtliche Belastung durch genetische Schäden bedeuten. "Diese kann aber als tragbar und gerechtfertigt angesehen werden im Hinblick auf die Vorteile, die erwartungsgemäß durch die Anwendung der Atomenergie erwachsen." 1965 erklärte die ICRP, eine Gonadendosis von 5 rem als Grenzwert "… gewährt einen vernünftigen Spielraum für die Expansion der Atomenergieprogramme." Die deutsche Atomkommission, die die heute noch geltenden Grenzwerte unter Berufung auf die ICRP festsetzte, erklärte 1969 "…, dass diese Strahlenbelastung bei noch zumutbarem Aufwand unvermeidlich ist." Diese Grenzwerte gelten bis heute!

Bei Asbest, Passivrauchen, Tschernobyl-Folgen und anderen Beispielen ist heute lückenlos
bewiesen, dass sich einflußreiche Kreise in Politik und Wirtschaft "geeigneter" Wissenschaftler bedienen, um über zwei und mehr Jahrzehnte offenkundige schwere Gesundheitsschäden zu bagatellisieren oder zu leugnen und so die Bevölkerung zu täuschen. Dadurch werden für wirtschaftliche Vorteile auch Siechtum und der Tod ungezählter Menschen in Kauf genommen.

 
Veranstaltung 5

08.06.2009
 

Skripte etc.


Link zur Dissertation des Autors zu diesem Thema:

Fenster ins WWW Dissertation (Persistenz des Links wird nicht überprüft)

 

Abstract

Der Konflikt um die iranischen Atomanlagen ist der markanteste Knackpunkt in Irans Energiesituation, doch nicht der einzige. So steigt der iranische Energieverbrauch drastisch
an – die Rechtfertigung für das Atomprogramm schlechthin.

Doch welche Annahmen liegen dieser Prognose zugrunde? Denn das iranische Energiesystem ist geprägt von Verschwendung und einer außer Kontrolle geratenen Subventionspraxis. Diese Entwicklungen reichen weit über die Landesgrenzen hinaus, denn Iran ist einer der wichtigsten Ölexporteure weltweit. Daher sind die Entwicklungen in Iran von globaler Bedeutung, sie bergen großes Konfliktpotential.

  • Doch wie sehen die Zukunftsoptionen für Irans Energiesystem wirklich aus?
  • Welche Auswirkungen auf die internationalen Energiemärkte sind zu erwarten?

Die Atomenergie erlebt in den Ländern am Persischen Golf und in Nordafrika einen Boom, getrieben durch deren steigende Energieverbräuche.

  • Welche Auswirkungen hätte die Realisierung dieser Pläne regional wie international?
  • Entstünden viele neue Atomkonflikte?

 
Veranstaltung 6

22.06.2009
 

Abstract

Mit dem Ende des Kalten Krieges kamen der NATO Feind und Feindbildzugleich abhanden. Hatte der politische Islam in den 70er und 80er Jahren im Nahen Osten und vor allem in Afghanistan noch als Bollwerk und Instrument der westlichen Politik gegen die Sowjetunion gedient, wurde er nun schnell umfunktioniert als die neue globale Bedrohung des Westens: Dank der Globalisierung waren die Muslime in Massen auch im Westen angekommen – der von Samuel Huntington diagnostizierte "Kampf der Kulturen" betraf nun auch sowohl das internationale System wie unsere eigenen Gesellschaften.

Die Zusammenhänge zwischen Internationaler Politik und innergesellschaftlichen Entwicklungen einschließlich ihrer Gefahren für den Frieden sollen hier zu einer Diskussion anregen.

 
Veranstaltung 7

06.07.2009
 

Abstract

Der Referent vergleicht zunächst den Nahostkonflikt mit einem gewaltigen Brandherd: "Wir können wegschauen, die Schuld auf andere schieben, jammern und klagen – aber wir können auch den Teelöffel Wasser, den jede Person in der Hand hält, immer wieder in einem Wassereimer füllen und gegen die Flammen spritzen".

In der völkerrechtswidrigen Besatzung, die eigentlich seit 1967 längst hätte beendet werden müssen, sowie im fortgesetzten Bau neuer jüdischer Siedlungen im Westjordanland sieht der Referent die wichtigste Ursache für die Fortdauer des Konfliktes. Auf palästinensischer Seite nennt er den Beschuss mit Kassam-Raketen aus dem Gazastreifen auf israelisches Territorium sowie Selbstmordanschläge als wichtigste Hindernisse zum Frieden.

Besonders hinderlich für einen gerechten Frieden sei der Bau der rund 700 Kilometer langen Grenzzaun- und Maueranlage, die vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag als eindeutig völkerrechtswidrig bezeichnet worden sei. Durch diesen Trennungszaun sowie durch die Mauer würden tausende von Palästinensern von ihrem Eigentum getrennt, viele palästinensische Häuser seien bereits abgerissen worden, um für den Mauerbau Platz zu schaffen.

Als Schritte zu einer möglichen Deeskalation zwischen den beiden Konfliktparteien schlägt der Referent vor, den Austausch von Gefangenen zu forcieren. Der Siedlungs- und Mauerbau sollte beendet werden, die israelische Armee aus dem Westjordanland abziehen. Bei Wiederaufnahme direkter Verhandlungen könnte eine Zweistaatenlösung erreicht werden, Ostjerusalem könnte Haupstadt des neuen Staates Palästina werden – in einem Staatenverbund mit Jordanien -, um wirtschaftlich überlebensfähig zu sein. Die Frage der Flüchtlinge, von denen nach Umfragen lediglich zehn Prozent überhaupt zurückkehren möchten, schlug der Referent vor, auf der Basis der so genannten "Genfer Friedensinitiative" aus dem Jahre 2003 zu lösen. Vor allem aber sollten die zahlreichen Friedensinitiativen auf beiden Seiten unterstützt werden, damit Friedenspläne überhaupt eine Chance bekämen.

Als Modell nannte er den israelisch-palästinensischen Radiosender "Alle gemeinsam für den Frieden". Im Dorf Neve Shalom-Wahat al Salam (Oase des Friedens) würden seit Jahrzehnten Juden und Muslime zusammen mit ihren Kindern leben, derzeit mehr als 100 Erwachsene, die auch eine Friedensschule aufgebaut hätten. Kinder und Jugendliche wachsen in diesem Dorf gemeinsam mit der Sprache der anderen Seite auf.

Mit einer "Bücherei auf Rädern" fährt der palästinensische Versöhnungsbund-Vertreter Nafez Asseily durch palästinensische Dörfer und Flüchtlingslager und unterrichtet Jugendliche in gewaltfreien Methoden gegen die Besatzung. Das israelische Komitee gegen die Zerstörung von Häusern, bei dem sich das israelische Versöhnungsbund-Mitglied Amos Gvirtz engagiert, baut im Rahmen seiner Möglichkeiten zerstörte Häuser von Palästinensern wieder auf, die dem Grenzzaun zum Opfer fielen. Rund 1000 Soldaten, darunter mehr als zwei Dutzend Piloten der israelischen Streitkräfte, würden sich derzeit weigern, in den besetzten Gebieten Armeeinsätze zu befolgen, weil sie nichts mit der Sicherheit Israels zu tun hätten, sondern nur das Leid der Palästinenser verlängern würden. Auf palästinensischer Seite haben Intellektuelle in Zeitungsannoncen dazu aufgerufen, Selbstmordanschläge zu stoppen.

In einem gemeinsamen israelisch-palästinensischen Elternkreis treffen sich Erwachsene, um den Tod ihrer Kinder und anderer Verwandter zu betrauern, die der Gewalt der jeweils anderen Seite zum Opfer gefallen sind.

Der Referent empfielt, mit dem ökumenischen Rat der Kirchen in einen Begleitdienst zur Menschenrechtsbeobachtung in Israel und in den palästinensischen Gebieten zu gehen. Andere hilfreiche Organisationen zur Konflikteindämmung seien "International Solidarity Movement" und die "Christian Peace Maker Teams", die sich vor allem in Hebron engagieren und ebenfalls ausländische Freiwillige suchten.