Interdisziplinäres Seminar zu Ökologie und Zukunftssicherung im Sommersemester 2009
gemeinsam mit dem Zentrum für Konfliktforschung
25.05.2009
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Nach dem Auftreten ungewöhnlich vieler Fälle von Leukämien bei Kindern im Umfeld der Nuklearanlagen AKW Krümmel und des benachbarten Atomforschungszentrums Geesthacht östlich von Hamburg beschäftigten sich wissenschaftliche Kommissionen und Forscher mit der Frage nach den Ursachen. Durch das Fordern und Drängen von gesellschaftlichen Kreisen, von zahlreichen Ärzten und einer großen Zahl von Anwohnern um deutsche Atomkraftwerke wurde 2004 durch das deutsche Umweltministerium ein erneuter Auftrag an das Mainzer Kinderkrebsregister erteilt: Eine besonders genau angelegte Untersuchung von Kinderkrebs bei Kindern unter 5 Jahren in der Umgebung deutscher Kernkraftwerke durchzuführen. In diese aktuelle KiKK-Studie (Fall-Kontroll-Studie) wurden eine bis auf 20 m genaue Abstandsermittlung der Wohnung der Kinder zum nächsten Kernkraftwerk (Kamin) und alle denkbaren Einflußgrößen (z. B. Röntgen, Tierkontakt, Haushaltschemikalien) auf die Krebsentstehung einbezogen.
Im Dezember 2007 wurde das Ergebnis des Mainzer Kinderkrebsregisters von seiner neuen Leiterin Frau Prof. Blettner öffentlich bekannt gegeben: "Unsere Studie hat bestätigt, dass in Deutschland ein Zusammenhang zwischen der Nähe der Wohnung zum nächstgelegenen Kernkraftwerk … und dem Risiko, vor dem 5. Geburtstag an Krebs bzw. Leukämie zu erkranken, beobachtet wird. … Die Exposition gegenüber ionisierender Strahlung wurde weder gemessen noch modelliert. … kann die von deutschen Kernkraftwerken im Normalbetrieb emittierte ionisierende Strahlung grundsätzlich nicht als Ursache interpretiert werden."
Die Behauptung der Autoren in der KiKK-Studie, die Strahlenexposition der Kinder sei nicht modelliert worden, hat sich inzwischen als falsch herausgestellt. Die Behauptung der Autoren, die von AKWs emittierte Strahlung sei weit über 1000-fach geringer als die natürliche Strahlenbelastung, ist durch keinerlei eigene Dosisbestimmung belegt und angesichts der Ergebnisse der Studie nicht glaubhaft. Die natürliche Strahlenbelastung trägt zu 5 bis 10 % zur Zahl der jährlichen Krebserkrankungen (425 000 im Jahr 2002) bei.
Interessant ist auch, wie es zu den in Deutschland für die Bevölkerung geltenden Grenzwerten von je 0,3 mSv pro Jahr durch Abluft und Abwasser aus Nuklearanlagen kam. In den Begründungen von Grenzwerten erklärt die Internationale Strahlenschutzkommission ICRP (1958), dass sie für die Allgemeinheit eine beträchtliche Belastung durch genetische Schäden bedeuten. "Diese kann aber als tragbar und gerechtfertigt angesehen werden im Hinblick auf die Vorteile, die erwartungsgemäß durch die Anwendung der Atomenergie erwachsen." 1965 erklärte die ICRP, eine Gonadendosis von 5 rem als Grenzwert "… gewährt einen vernünftigen Spielraum für die Expansion der Atomenergieprogramme." Die deutsche Atomkommission, die die heute noch geltenden Grenzwerte unter Berufung auf die ICRP festsetzte, erklärte 1969 "…, dass diese Strahlenbelastung bei noch zumutbarem Aufwand unvermeidlich ist." Diese Grenzwerte gelten bis heute!
Bei Asbest, Passivrauchen, Tschernobyl-Folgen und anderen Beispielen ist heute lückenlos
bewiesen, dass sich einflußreiche Kreise in Politik und Wirtschaft "geeigneter" Wissenschaftler bedienen, um über zwei und mehr Jahrzehnte offenkundige schwere Gesundheitsschäden zu bagatellisieren oder zu leugnen und so die Bevölkerung zu täuschen. Dadurch werden für wirtschaftliche Vorteile auch Siechtum und der Tod ungezählter Menschen in Kauf genommen.